DIE SCHNELLE LÖSUNG – ODER DAS TUT DEM HUND JA NICHT WEH

Im Zuge meiner Ausbildung stolpere ich zwangsläufig auch über mehr oder weniger fragwürdige Methoden der „Hundeerziehung“. Irgendwie hat dieses Wort einen unangenehmen Beigeschmack bekommen – nur zu oft ist im Zusammenhang damit nämlich die Rede von Korrektur, Rudelführerschaft und ähnlicher Begriffe, die allesamt ins vorige Jahrtausend gehören.

Wie der geneigte Leser weiß, werde ich nach Abschluss meiner Ausbildung und Bestehen der entsprechenden Prüfung tierschutzqualifizierte Hundetrainerin sein. Als solche basiert meine Arbeit auf der positiven Verstärkung. So mancher mag das belächeln und meinen, hierbei ginge es nur um Bestechung mittels Leckerli, dabei ist diese ein mächtiges Instrument, um es unseren felligen Gefährten einfacher zu machen, sich in unserem Leben zurecht zu finden. Zu oft vergessen wir, dass unsere Hunde ganz anders kommunizieren als wir Menschen – nur zu gern möchten wir glauben, sie verstünden jedes Wort. Als verantwortungsvolle Hundebesitzer ist es darum unsere Aufgabe, unsere Vierbeiner zu begleiten, zu führen und zu (be)schützen. So wie Eltern das eben tun. Denn nichts anderes sollten wir für sie sein. Es ist höchste Zeit, dass wir uns von der Idee der Rudelführerschaft und des Alphatiers verabschieden. Warum? Ganz einfach – weil wir mit unseren Hunden kein Rudel bilden können und das Alphatier unter freilebenden Tieren nicht unterdrückt sondert führt und schützt.

Laut Duden ist ein Rudel eine „Gruppe wild lebender Säugetiere der gleichen Art“. Und das können wir ja nun wirklich nicht von uns und unseren Hunden behaupten. Wo kein Rudel, folglich auch kein Rudelführer. Und wenn wir den Begriff des Rudels und dessen Führer schon strapazieren möchten, dann sollten wir uns vielleicht auch die Zusammensetzung eines frei lebenden Wolfsrudels ansehen. Dieses besteht nämlich im Regelfall aus einem Elternpaar und deren Nachkommen. Einer Familie also – in der jeder seine Rechte und Pflichten hat. Hier schließt sich nun also der Kreis und ich denke, die Sache mit unserer Stellung als Eltern für den Vierbeiner im Haus ist leichter zu verstehen. 

 

Damit auch schon zur positiven Verstärkung als den wünschenswerterweise am häufigsten angewandten Teil der vier Quadranten der operanten Konditionierung. Das Prinzip ist denkbar einfach – Du machst etwas richtig und wirst belohnt. Ist die Belohnung attraktiv genug, wirst Du das gewünschte Verhalten öfter zeigen. Seien wir ehrlich – kaum einer von uns ginge gern zur Arbeit, gäbe es dafür kein Geld.

 

So gut und nachhaltig Hunde nach diesem Prinzip lernen, so lange dauert es mitunter. Und hier beginnt das größte Problem der heutigen Zeit – man hat davon (vermeintlich) nicht genug oder will sie sich nicht nehmen. Hunde sollen funktionieren und zwar flott und genau so, wie wir uns das vorstellen. Ein Teufelskreis für unsere Vierbeiner, sieht man in den Medien doch vermehrt sogenannte Hundetrainer, die schnelle Erfolge versprechen. Leider gehen diese meist zu Lasten der Hunde und in weiterer Folge nur zu oft auch zu Lasten ihrer Menschen.

Denn wie das halt mit dem Lernen so ist – es dauert einfach. Je nach Anforderung und Fähigkeiten des Lernenden mal länger oder kürzer, aber es dauert. Schnelle Lösungen sind zwar medienwirksam und sehen auf den ersten Blick toll aus, bergen aber allzu oft Risiken. Erst kürzlich stolperte ich über eine von diesen schnellen Lösungen – in diesem Fall, um einem Hund, der schon sein ganzes Leben lang bellend im Halsband hängt, wenn andere Hunde seinen Weg kreuzen, diese Angewohnheit auszutreiben. Und zwar mit Hilfe eines Taschentuchpäckchens, das auf den Hund geworfen wird, sobald er dieses Verhalten zeigt. Dazu der Rat, sich vor dem Hund noch groß zu machen. Zugegeben, bei der nächsten Begegnung schon war vom ursprünglichen Verhalten nichts mehr zu sehen – ging also wirklich schnell. Dass der Hund sich wegduckt, als Herrchen sich lobend über ihn beugt, scheint Herrchen und Trainer zu entgehen. Und ob der ängstliche Blick über die Schulter, als der andere Hund vorbeigeht, wirklich als Trainingserfolg zu werten ist?

Die Gefahr hinter solchen Korrektur-Maßnahmen ist nämlich die, dass Hunde oft Verknüpfungen anstellen, die wir im ersten Augenblick so nicht erkennen können/wollen. So kann es durchaus sein, dass dieser spezielle Hund sich die Bellerei nun abgewöhnt hat, weil er fürchtet, dass sonst wieder was geflogen kommt – das wäre dann der zu vermeidende Quadrant der operativen Konditionierung (positive Bestrafung). 

Es kann aber auch gut sein, dass er andere Hunde nun mit dem unangenehmen Gefühl des „Beschossen-Werdens“ verknüpft und darum in Zukunft noch heftiger reagiert. Denn was in diesem Beispiel nicht passiert ist, ist der Versuch zu verstehen, warum der Hund sich verhält wie er sich verhält. Nehmen wir nun an, er macht das, weil seine persönliche Wohlfühldistanz unterschritten wird, er nicht ausweichen kann, weil Herrchen ihn ja an der kurzen Leine hält und damit seine einzige Möglichkeit, dem anderen Hund zu sagen „geh weg von mir“ eben ein drohendes nach-vorne-Gehen ist. Der andere Hund versteht das in Verbindung mit der angespannten Haltung durch die kurze, ebenfalls gespannte Leine, auch als Drohung – im besten Fall wendet er sich ab. Und unser Fallbespiel hat was er wollte – Distanz. Fertig ist das erlernte Verhalten. Bringen wir jetzt noch eine Handlung dazu, wie das Bewerfen mit Gegenständen, fügen wir einem Hund, der sich ohnehin schon unwohl fühlt, noch zusätzlich Unangenehmes zu. Wie würden wir reagieren? 

Tierschutzqualifizierte Hundetrainer wählen einen anderen Weg – den der positiven Verstärkung. Im genannten Beispiel sähe das wie folgt aus.
Gehen wir davon aus, dass unsere Annahme mit der fehlenden Distanz richtig ist und unser Beispielhund andere Hunde in seiner Nähe einfach doof findet, wenn er angeleint ist. Die einzige Möglichkeit, sie sich vom Pelz zu halten, die er kennt: nach vorne gehen und bellen, was das Zeug hält. Unsere Aufgabe ist es jetzt, ihm einen anderen Weg – sprich ein Alternativverhalten – zu zeigen, das ihm hilft, mit der Situation besser umzugehen. Dafür brauchen wir nicht mal ein Taschentuchpackerl. Nur Geduld, ein gutes Auge, etwas Gefühl und eine wirklich gute Belohnung. 

Und dann heißt es, herausfinden, bei welchem Abstand der Hund sich noch wohl fühlt. Hier beginnen wir und belohnen, wenn er den anderen Hund sieht, aber ruhig bleiben und sich z.B. zu uns umdrehen kann. Von diesem Punkt arbeiten wir uns dann gemeinsam Meter für Meter weiter – langsam und in kleinen Schritten – immer so, dass der Hund Erfolg haben kann. Denn dann ist Lernen garantiert. Irgendwann ist es dann geschafft und er bleibt cool. Auch hier hat er eine Verknüpfung gemacht. Allerdings diesmal die, dass andere Hunde gar nicht so doof sind, schließlich stehen sie nun in Verbindung mit etwas wirklich Feinem und Blickkontakt mit dem Menschen, dem er vertraut. 

Ich bin sicher, der geneigte Leser hat das Prinzip verstanden und sieht in Zukunft die schnellen Lösungen mancher Hundetrainer mit etwas kritischerem Blick. Wäre schön, wenn jeder mithilft, unseren Hunden das Lernen und Leben in unserer Welt einfacher zu machen.

 

P.S.: verzeiht die vielen ernsten Worte - das Thema ist jedoch leider brisanter denn je. Beim nächsten Mal gibt's wieder Lustiges aus dem Leben des Pubertiers.