WAS EIN GUTER RÜCKRUF WERT IST – ODER CATCH ME, IF YOU CAN

Dem fleißigen Leser wird zumindest der erste Teil des Titels bekannt vorkommen. Ja stimmt, den hatten wir schon mal. Trotzdem konnte ich nicht umhin, diesen nochmals zu verwenden, schien er mir doch passender als jeder andere.


Vor einiger Zeit kam mir ein Buch mit dem Titel „Das Pubertier“ unter. Spätestens seit letzter Woche weiß ich, woher die Idee dazu stammt. Der Autor muss meinen Hund kennen. Richtig – es ist soweit. Cacho ist nun knapp über sieben Monate alt und in seinem Gehirn scheinen intensive Umbauarbeiten stattzufinden. Darum ist derzeit wohl auch kein Platz mehr für all das Wissen, das er sich im Laufe der letzten Monate angeeignet hat. Zumindest nicht für Wissen, dessen Verweilen im hündischen Hirn Frauchen Freude macht.


Wie auch der menschliche Pubertierende entwickelt Cacho aktuell ganz eigene Ideen, was die Gestaltung unserer Spaziergänge und die Auslegung bisher gelernter Umgangsformen betrifft, die sehr zu unser beider Leidwesen in den seltensten Fällen mit den meinen harmonieren. Ist Cacho’s Leid eher seelischer Natur, weil seine persönliche Entfaltung böswillig durch Frauchens vollkommen realitätsfremde Erwartungshaltung vehement eingeschränkt wird, so ist das meine durchaus körperlich zu sehen.

 

Mittlerweile habe ich gelernt, halb ausgekugelte Schultern und eingeschnürte Handgelenke durch schnelle Reaktion und geschickte Handhabung einer 15 Meter Schleppleine zu vermeiden. Es gibt aber trotzdem Situationen, da hilft alle Voraussicht und Schnelligkeit nicht. So wie neulich, als Cacho auf dem Heimweg eine Witterung aufnahm. Seiner Reaktion nach zu urteilen musste kurz vorher sein Freund Eleven den gleichen Weg genommen haben. Im Bestreben, ihn noch einzuholen, vergaß Cacho wohl kurzfristig, dass ich noch am anderen Ende der Leine hing, und preschte los. Ich hätte es mir einfach machen können – ich hätte einfach die Leine loslassen können. Aber einfach kann jeder und so vertraute ich darauf, dass ein beherztes „Stop“ meinen Hund zum Stillstand bringen würde.

 

Schwerer Fehler – denn dies war eine von diesen Situationen, in denen der Pubertierende kurzfristig jegliches Hörvermögen einbüßt. Es hatte geschneit und war eisig an diesem Tag und ich landete auf dem Boden, während Cacho fröhlich weiterlief, denn jetzt hatte ich die Leine doch noch losgelassen. Dicht hinter ihm versuchte mein Mann, die Situation durch einen gewagten Schritt auf die Leine zu retten.

Erfolglos, denn spielfreudiger Vierrad-Antrieb gewinnt nun einmal locker gegen sportmuffeligen Zweibeiner.

 

Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, versuchte ich mein Glück nochmal und diesmal muss mein Ruf - korrigiere: Schrei – auch die Hörblockade unseres Hundes durchbrochen haben, denn er hielt tatsächlich an und sah sich nach mir um. Und dann kam er ebenso flott und freudig zu mir retour. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, es wäre wegen mir gewesen – das pubertierende Hirn hat sich sicherlich nur daran erinnert, dass ich diejenige mit den Leckerlis bin. Und weil es dem Lernerfolg dienlicher ist, bin ich nicht meinem ersten Impuls gefolgt. Ich habe Cacho also nicht erschlagen und im nächsten Feld vergraben – nein, ich habe gelobt und belohnt. Schließlich soll er sich beim nächsten Mal auch wieder daran erinnern.