WAS EIN GUTER RÜCKRUF WERT IST – ODER DER VERTRAUENSVORSCHUSS

 

Heute, geneigter Leser, erzähle ich Dir etwas im Vertrauen. Bitte nicht weitersagen. Warum das so wichtig ist, wirst Du gleich verstehen.

 

Immer wieder arbeiten wir beim Spaziergang am Rückruf. Cacho hat ja schon vor längerer Zeit das Signal dazu gelernt und es gilt, dieses zu generalisieren – also unter möglichst vielen verschiedenen Umständen und an möglichst vielen verschiedenen Orten zu festigen. Natürlich haben wir damit draußen an der Leine angefangen. Man weiß ja nie, und so kann man den Vierbeiner zumindest zurückangeln, wenn herkommen aus irgendeinem Grund „grade nicht geht“.

 

Allerdings wäre ich nicht ich, würde mir ein solches Sicherheitsnetz nicht schnell langweilig. Außerdem will man ja den Hund auch mal über die Felder fegen lassen. Was er auch mit Hingabe und voller Lebensfreude tut. Manchmal in einer Geschwindigkeit, dass ihn das eigene Hinterteil überholt und er sich mitten im Lauf hinsetzt. Nur nicht lachen!

 

Da er aber trotz Spaß am Freilauf immer wieder einen Blick über die Schulter riskiert um zu sehen, ob ich noch da bin (was natürlich entsprechend gelobt wird!) und auch auf Rückruf brav zu mir kommt – ja zugegeben, manchmal mit einem kleinen Bogen, wenn’s wo ganz besonders gut riecht – darf er nach einem prüfenden 360°-Blick meinerseits von der Leine. Während er also seine Freiheit genießt, sondiere ich weiter die Lage, denn andere Hunde haben noch immer eine große Anziehungskraft. Außerdem ist sicherzustellen, dass unser Gemeinde-Jäger nicht unterwegs ist. Man möchte ja keine unnötigen Diskussionen.

 

 

Und da wären wir schon beim Vertrauen. Vor ein paar Tagen sprintete Cacho wieder einmal über die Felder, als ich beim Umgebungs-Scan hinter einer Baumreihe durch eine Lücke einen kapitalen Rehbock entdeckte. Und – psst! – ich habe Cacho nicht angeleint sondern einfach nur zu mir gerufen. Um die Baumreihe herum ging er brav neben mir her – ja, das kann er auch schon, wenn auch mit endenwollender Begeisterung. Als wir die Baumreihe passierten, waren wir beide erstmal baff. Der Hund, weil er noch nie Rehe gesehen hatte und ich, weil es 1. nicht eines sondern sechs Tiere waren und 2. mein Hund einfach stehen blieb. Dermaßen überrascht fiel mir leider nur unser Lobwort statt des Markerwortes ein. Kurz zur Erklärung – das Markerwort ersetzt den Clicker, wenn dieser nicht zur Hand ist und bedeutet daher IMMER eine Belohnung. Das hätte zur Folge gehabt, dass Cacho sich mir zugewandt hätte, um sein Leckerli entgegenzunehmen. Das Lobwort fungiert quasi als eine Art Freigabe oder Auflösung eines geforderten Verhaltens. Was an sich noch kein Problem gewesen wäre, denn Cacho hob tatsächlich nur die Pfote. DAS allerdings war dann ein Problem, denn die Rehe verstanden diese Geste vollkommen falsch und sprinteten davon. Mein Jagdhund natürlich hinterher – war klar.

 

Was soll’s – dachte ich mir – er wird zwar eh nicht kommen, aber rufst halt mal. Und ich rief. Und Cacho drehte sich um, lief ein paar Schritte auf mich zu (mittlerweile war er gute 20 – 30 Meter entfernt), blickte nochmal den Rehen nach und kam dann fröhlich wedelnd zu mir zurück. Jetzt war aber wirklich Party angesagt. Warum ich dermaßen erfreut war, verstand er zwar nicht, feierte aber trotzdem gerne mit. Leckerli sind schließlich immer ein Grund zu feiern.

 

Und für mich gab es zwei Minuten später noch einen Grund – bog doch unser Jäger auf seinem flüsterleisen Elektro-Moped um die Ecke. Freundlich hob ich eine Hand zum Gruß – denn an der anderen hing ja bereits mein Hund an der Leine. Also – psssssst.